Das Betriebsverfassungsgesetz wird 70!
Liebe/r Betriebsrat
Anfang des Monats jährte sich die Einführung des BetrVG zum 70. Mal.
Für uns eine schöne Gelegenheit, auf die Geschichte des BetrVG zurückzuschauen.
Kurz nach Gründung der BRD waren die (damals noch sozialistischen) Gewerkschaften 1952 überhaupt nicht begeistert von der Idee des Betriebsverfassungsgesetz, dem sie damals eine nicht ausreichende Mitbestimmungswirkung bescheinigten. Zudem befürchteten sie die Einschränkung des Betriebszugangs und damit eine Abnahme des gewerkschaftlichen Einflusses auf die Betriebe. Im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens riefen die Gewerkschaften zu Demonstrationen und zum Streik gegen das Gesetz auf, an denen sich viele Arbeitnehmer*innen beteiligten. Aber auch Arbeitgeber taten sich schwer, die Macht im Betrieb zu teilen, waren sie doch oft von einer ausgesprochenen Herr-im-Hause-Mentalität geprägt und es gewöhnt, alle Entscheidungen im Betrieb allein zu treffen.
Betriebsräte und Gewerkschaften
Im Laufe der Jahre wurde das Betriebsverfassungsgesetz jedoch zu einem Erfolg für die Mitbestimmung, auch weil die Gewerkschaften den anfänglichen Widerstand gegen das BetrVG aufgaben und die Betriebsräte durch Beratung und Schulung sowie durch den Aufbau eines Systems von Vertrauensleuten in den Betrieben unterstützten. Diese Maßnahmen zeigten Wirkung: Bis heute sind ca. 75% der Betriebsräte gewerkschaftlich organisiert. Zwischen Gewerkschaften und Betriebsräten hat sich in den letzten 7 Jahrzehnten eine enge Verbindung entwickelt, die sich hauptsächlich in den großen Industriebetrieben als sehr robust erweist. Heute gilt das duale System der Industriellen Beziehungen, also die beiden Institutionen der Tarifautonomie und der Betriebsverfassung, als deutsches Erfolgsmodell und als tragende Säule der sozialen Marktwirtschaft.
Interessenvertratung Betriebsrat
Betriebsräte als Vertreter*innen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können sich bei der Durchsetzung der Interessen der Beschäftigten auf das Betriebsverfassungsgesetz stützen, das insgesamt noch dreimal reformiert wurde: 1972, 2001 und 2021. Die größte Reform fand 1972 unter der sozialliberalen Regierung statt. Dabei wurden die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte deutlich erweitert und der Zugang der Gewerkschaften zum Betrieb erleichtert, was diesmal den heftigen Widerstand der Arbeitgeberseite hervorrief.
In den folgenden Jahrzehnten wandelte sich das Verhältnis zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern – zumindest in den großen Industriebetrieben- wie eine Studie in den 1990er Jahren (Kotthoff 1991) feststellte: Seitdem wird den Betriebsräten von vielen Arbeitgebern die Kompetenz zum Co-Management bescheinigt, in den Betrieben wird vertrauensvoll zusammengearbeitet und es werden zahlreiche Betriebsvereinbarungen zum Wohle des Unternehmens getroffen.
Diese Entwicklung wurde durch die zunehmende Verbetrieblichung, also die Verlagerung von tariflichen Regelungsinhalten auf die betriebliche Ebene, noch verstärkt.
In kleinen und mittleren Betrieben erleben Betriebsräte jedoch oft auch Repression durch den Arbeitgeber und gar nicht so selten versuchen Arbeitgeber die (erstmalige) Wahl von Betriebsräten zu verhindern. Heute verfügen lediglich 8 % der Betriebe über einen Betriebsrat. Nur noch insgesamt ca. 38 % der Beschäftigten können auf die Unterstützung eines Betriebsrats zählen, wobei der überwiegende Anteil dieser Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten arbeitet. (Ellguth, Kohaut 2022). Ihr seht: Jeder Betriebsrat zählt und ist wichtig!
Wir möchten die Gelegenheit nutzen, Euch als Betriebsrätinnen und Betriebsräten Danke zu sagen für Euer ehrenamtliches Engagement, Euren Einsatz für die Kolleginnen und Kollegen und Euren wichtigen Beitrag zur Demokratisierung der Betriebe. Macht weiter so!
Euer Team von SuB
Termin vormerken:
Die nächste Fachkonferenz zum Thema Arbeitsrecht findet
am 27. und 28. April 2023 statt!